Das Rennradmagazin «TOUR» titelte seine Vorschau auf die Bayern Rundfahrt mit «Alm-Auftrieb» – die bisher erste richtige Bergankunft in 35 Jahren Rundfahrtgeschichte wirft ihre Schatten voraus. In der Tat dürften die 133 Profis aus 19 Teams für die Idylle der Winklmoos-Alm auf der zweiten Etappe der Bayern Rundfahrt am Vatertag kaum einen Blick haben. Das Finale der Königsetappe des wichtigsten deutschen Radrennens, das auf einer Höhe von 1150 Metern gleichzeitig das «Dach» der Tour bildet, dürfte mit seinen wechselnden Rampen und Anstiegen bis zu 18 Prozent einen Scharfrichter für die Entscheidung um den Gesamtsieg der Bayern Rundfahrt darstellen.
Bequemer haben es da Besucher und Fans. Für sie geht es am Feiertag vom Parkplatz Seegatterl in knapp zehn Minuten mit der drei Kilometer langen Gondelbahn hinauf ins Etappenziel. Auch das ist eine Premiere. Die Fahrt mit der ansonsten nur im Winterbetrieb laufenden Bahn ist übrigens kostenfrei.
Für eine Vorentscheidung im Kampf um den Etappensieg und die Rundfahrt dürften bei der Auffahrt zur Winklmoos-Alm, Heimat von Rosi Mittermaier, bereits die ersten Meter sorgen. Nur kurz nach der Einfahrt in die Mautstraße geht‘s bei der ersten Kehre mit 16 Prozent Steigung zur Sache, es über gut 600 Meter gut 18 Prozent, dann wird‘s etwas flacher, die sechs Prozent für die nächsten 1,6 Kilometer und drei Prozent für weitere 700 Meter dürften im Finale der Etappe aber kaum Erholung bringen – zumal nach einer kleinen Waldlichtung eine weitere gut 400 Meter lange Steilrampe mit 14 Prozent wartet. Erst wenn die Profis auf das offene Gelände der Alm kommen, wird‘s Richtung Ziel nochmals etwas flacher. «Eine Etappe in dieser Form ist bisher einmalig in 35 Jahren Rundfahrtgeschichte», so Ewald Strohmeier, Chef der Bayern Rundfahrt.
Ein erster Härtetest am gleichen Tag wird bereits die Bergwertung von Hochschwarzeck bei Ramsau, die über 6,1 Kilometern auf 395 Höhenmeter kommt. In insgesamt sieben Spitzkehren geht es bis zum auf 1040 Metern gelegenen Übergang – den sich dabei öffnenden Ausblick auf die Berchtesgadener Alpen werden die Profis allerdings kaum genießen können. Entscheidend für einen erfolgreichen Angriff einer Gruppe könnten die letzten gut zwei Kilometer sein, die trotz vier Kehren mit durchschnittlich neun Prozent klettern – Watzmann-Aussicht inklusive. «Die Bergwertung Hochschwarzeck ist vom Profil nicht ganz so abwechslungsreich und nicht ganz so steil, aber dafür umso länger», so Til Rieger, im Team der Bayern Rundfahrt verantwortlich für die Sonderwertungen. «Wer es taktisch klug anstellt, kann dort vielleicht eine Vorentscheidung erzwingen – oder zumindest die Favoriten unter Zugzwang setzen.»
Auch für Amateure, Nachwuchs und Hobbyfahrer besteht die Möglichkeit, auf der Winklmoos-Alm anzutreten und kurz vor dem Finale der Profis erste Richtmarken für die Bergstrecke zu setzen. Im Vorprogramm der Königsetappe zu Christi Himmelfahrt finden in Reit im Winkl auch die Bayerischen Bergmeisterschaften und Hobbyrennen für Rennradfahrer und Mountainbiker statt. Daher ist die Zufahrtstraße ins Ziel auch ganztägig gesperrt. Komplettiert wird das Programm auf der Winklmoos-Alm durch ein großes Rahmenprogramm, das durch das Biathlon-Team-Ruhpolding mit Stadionsprecher Harry Knoerzer und «DJ Lumpi» gestaltet wird.
Wer schon vor der Bayern Rundfahrt erste Zeiten für die Profis vorlegen will, kann seine Fahrten zur Winklmoos-Alm und auch zum Hochschwarzeck übrigens auch online dokumentieren – in der Trainings- und Wettkampf-Plattform «Strava» sind beide Anstiege gelistet, dürften spätestens am 29. Mai allerdings einen neuen «King of Mountain» (KOM) bekommen. Aktuell hält an der Alm Sebastian Deckert vom LKT-Team Brandenburg übrigens die Bestzeit – zumindest unter den «Strava»-Nutzern. Der 23-Jährige aus München, der gerade die schweren Rennen liebt, testete die Strecke Ende April und brauchte 15:15 Minuten für den Schlussanstieg. Am Hochschwarzeck war Deckert in der gleichen Trainingseinheit 9:56 Minuten unterwegs.
Die zweite Etappe der Bayern Rundfahrt startet am Donnerstag, 29. Mai, um 11 Uhr in Freilassing, am Hochschwarzeck wird das Feld gegen 12:58 Uhr erwartet, durch Reit im Winkl und in den Schlussanstieg fahren die Profis gegen 15 Uhr.
Die Bayern Rundfahrt führt in diesem Jahr von Vilshofen über Freilassing, Reit im Winkl, Grassau, Neusäß und Wassertrüdingen am Hesselberg nach Nürnberg. Insgesamt stehen auf den fünf Etappen von Ostbayern über den Chiemgau nach Mittelfranken 785,6 Kilometer auf dem Programm. Eine Vorentscheidung im Kampf um den Gesamtsieg des unter der Schirmherrschaft von Staatsminister Joachim Herrmann ausgetragenen Rennens wird bereits bei der Bergankunft im Rahmen der Königsetappe auf die Winklmoos-Alm erwartet, ähnliche Bedeutung kommt auch dem Einzelzeitfahren am vorletzten Rundfahrt-Tag in Wassertrüdingen zu.
Hintergrundinformationen zu Bergankünften bei der Bayern Rundfahrt: Die letzte «Bergankunft» der Bayern Rundfahrt war 2008 in Sankt Englmar, zuvor schon 1989 und 1992 Etappenort der Rundfahrt. Der Anstieg, an dem Gerald Ciolek sich vor sechs Jahren den Etappensieg holte, ist allerdings mit den knapp fünf Kilometern zur Winklmoos-Alm nicht zu vergleichen. Steil war‘s bei der Bayern Rundfahrt auch 2005 in Kulmbach, damals führte das Finale des Zeitfahrens der Bayern Rundfahrt bis vor die Tore der Plassenburg – mit gut 100 Höhenmetern auf einem Kilometer zwar kürzer, aber zumindest ähnlich steil wie das Finale an der Winklmoos-Alm. Das Zeitfahren, das auch die Mechaniker bei der Wahl der richtigen Übersetzung vor große Herausforderungen stellte, gewann damals Jens Voigt.
Höhenprofil der Königsetappe (jpg, 0,7 MB)
Höhenprofil Schlussanstieg Königsetappe (jpg, 0,5 MB)
Höhenprofile der Königsetappe in der Übersicht (jpg, 1,2 MB)
Fotodatenbank zur Bayern Rundfahrt
www.bayern-rundfahrt.com