Hallo Sportkameraden,
über Ottto Bennewitz erreichte uns die traurige Nachricht, dass der mehrfache Weltmeister, Olympia-Sieger und Europameister Günther Haritz zwei Wochen nach seinem 77. Geburtstag am 29. Oktober verstorben ist.
Günther Haritz war in den 1970er-Jahren einer der erfolgreichsten deutschen Radsportler. Neben seinen großen Erfolgen auf der Bahn zeigte er oft auch als Straßenfahrer eindrucksvoll seine Vielseitigkeit. 1974 war Haritz, der auch bei der Tour de Suisse startete und bei der „Vuelta“ einst vier Tage lang das Spitzenreiter-Trikot trug, Deutscher Straßenmeister der Profis! Seine große Liebe blieb jedoch der Bahnsport. Auf den Winterbahnen zählte Günther Haritz der 83 Sechstagerennen bestritt – davon elf Rennen gewann – zur internationalen Spitzenklasse der Profis.
Auch nach dem Ende seiner Karriere saß Haritz, der 1981 ein renommiertes Radsport-Fachgeschäft eröffnete, regelmäßig und gerne im Sattel. Bei den Treffen der „Altmeister“ im Museum in Sinsheim genoss der stets fröhliche „Blitz von Leimen“ das Wiedersehehen mit vielen Fans und ehemaligen Radsportlern.
Manfred Marr
Hallo Sportkameraden,
heute meine Erinnerung an die Bahn-WM 1973 im spanischen San Sebastian.
Nach dem Tod von Günther Haritz musste ich sofort wieder an die Bahn-WM 1973 denken, die damals im spanischen San Sebastian stattfand. Das grandiose Finale um den Vierer-Titel, das sehr tragisch verlief und schließlich für den BDR-Vierer doch noch erfolgreich endete, bleibt für mich für immer unvergessen. Hier in Kürze mein persönlicher Rückblick:
Ebenso souverän wie das starke Quartett aus Großbritannien hatte der deutsche Bahn-Vierer mit Günther Schumacher, Hans Lutz, Peter Vonhof und Günther Haritz in San Sebastian das WM-Finale über 4000m erreicht. Nach einem perfekten Blitzstart übernahm der „Goldvierer“ von Bundestrainer Gustav Kilian sofort resolut die Führung, die er mit jeder Runde etwas weiter ausbaute. Der WM-Sieg war für die deutschen Fahrer so gut wie sicher, als sie mit klarem Vorsprung von ca. 70 Metern in die Schlussrunde spurteten. Ich machte mich mit meinem Fotoapparat im Innenraum der Bahn schnell auf dem Weg zur Siegerehrung, als ein lauter Knall und ein entsetzter Aufschrei der Zuschauer durch die Halle ging. Alle vier deutschen Fahrer wirbelten plötzlich durch die Luft und landeten sehr unsanft auf der harten Betonpiste neben ihren verbeulten Rennmaschinen.
Was war geschehen? Ein übereifriger Funktionär, der die Schaumgummi Streifen vom Bahnrand einsammelte, war zu früh auf die Bahn gelaufen. Der deutsche Vierer hatte keine Chance ihn im hohen Tempo auszuweichen. Alle vier Fahrer stürzten schwer. Hans Lutz und Günther Schumacher mussten sofort ins Krankenhaus eingeliefert werden. Peter Vonhof und Günther Haritz hatten zwar schwere Prellungen und viele Hautabschürfungen, doch sie kamen schließlich mit schmerzverzerrten Gesichtern wieder auf die Beine.
Unbeeindruckt vom Geschehen verkündete kurz danach die Jury das Ergebnis der WM: Sieger und Weltmeister Großbritannien! Die vielen Zuschauer reagierten darauf mit einem Sturm der Entrüstung und mit sehr lautstarken Buh-Rufen. Ein Protest der deutschen BDR-Delegierten nutzte nichts, denn „wer nicht ins Ziel kommt, kann nicht Sieger sein“, lautete die nüchterne Erklärung der internationalen UCI-Jury.
Doch die Jury hatte nicht mit dem vorbildlichen Sportsgeist der vier Engländer gerechnet. Ian Hallam, Michael Bennet, Richard Evans und William Moore waren mit dem Ergebnis keinesfalls einverstanden. Sie lehnten es unter großem Beifall der Zuschauer ganz energisch ab, den Titel anzunehmen. Danach gab es eine längere Pause und nach eingehender Beratung der Jury kam endlich die Durchsage: “ Weltmeister Deutschland vor Großbritannien und Niederlande“.
Überglücklich stiegen Peter Vonhof und Günther Haritz auf das Treppchen, umarmt von ihren fairen Gegnern. Strahlend und mit den obligatorischen Baskenmützen fuhren beide anschließend unter großem Jubel ihre Ehrenrunde, während man im Krankenhaus bei Günther Schumacher neben einigen fehlenden Zähnen einen Kieferbruch und bei Hans Lutz einen Schlüsselbeinbruch und eine schwere Gehirnerschütterung diagnostizierte.
Der Bericht von diesem außergewöhnlichen WM-Finale ging danach groß durch die internationale Sportpresse. Die „NN“ brachte meinen Bericht plus Foto damals im Kleinformat (siehe Anhang). Zurecht belohnt für ihre sportliche Handlung wurden die vier Vize-Weltmeister aus Großbritannien einige Wochen später mit dem „Fair-Play-Preis“, den das Internationale Fair-Play-Committee (CIFP) bis heute alljährlich für herausragende Gesten von großem Sportgeist vergibt, geehrt.
Text und Foto:
Manfred Marr








