Showdown in Frankfurt – am 1. Mai treffen beim deutschen Radsportklassiker Rund um den Finanzplatz Eschborn-Frankfurt die beiden herausragenden Radprofis des Frühjahrs aufeinander: John Degenkolb aus Frankfurt und der Norweger Alexander Kristoff. Degenkolb und Kristoff dominierten in den zurückliegenden Wochen die Klassikersaison. Degenkolb erfüllte sich mit seinen Siegen bei den Radsport-Monumenten Mailand – Sanremo und Paris – Roubaix gleich zwei Kindheitsträume. Kristoff sammelte in diesem Frühjahr bereits elf Siege. Hervorragend war sein Triumpf bei der Flandern–Rundfahrt. „Wir sind stolz darauf, diese beiden exzellenten Fahrer bei Rund um den Finanzplatz Eschborn-Frankfurt am Start zu haben“, sagt Organisator Bernd Moos-Achenbach.
Alle Augen werden am Tag der Arbeit auf die zwei stärksten Berufsradfahrer des noch jungen Jahres gerichtet sein. Das weiß auch Degenkolbs Manager Jörg Werner: „Wenn die beiden besten Fahrer des Frühjahrs aufeinander treffen, darf man einiges erwarten.“ Daran lässt auch Degenkolb keinen Zweifel. Denn: „Ich habe noch eine Rechnung offen“, sagt der 26 Jahre alte Kapitän des deutschen WorldTour-Teams Giant-Alpecin. Vor einem Jahr schnappte ihm ausgerechnet Kristoff den Sieg bei seinem Heimrennen weg. Eine schmerzliche Niederlage. Diesmal soll es besser laufen, „Dege“ möchte nach 2011 ein zweites Mal vor der Alten Oper – und damit unweit seiner eigenen Haustüre – triumphieren. Dabei unterstützt ihn unter anderem der starke Niederländer Tom Dumoulin. Der WM-Dritte im Zeitfahren glänzte in diesem Frühjahr mit seinem Erfolg beim abschließenden Bergzeitfahren der Baskenland-Rundfahrt.
„John hofft auf gute Beine nach der Erholung“, sagt Jörg Werner. Unmittelbar nach seinem grandiosen Sieg in Roubaix legte Degenkolb nämlich eine verdiente Pause ein. Heimaturlaub mit seiner Frau Laura und Sohn Leo-Robert. Erst seit diesem Wochenende sitzt Degenkolb wieder im Sattel, um sich auf das Highlight des Sommers vorzubereiten: die Tour de France. Ein Etappensieg soll her. Endlich. Vor einem Jahr sammelte er bei der schwersten Rundfahrt der Welt zwei zweite Plätze. Diesmal darf es ruhig ein wenig mehr sein. „Ich hoffe, dass es dort mit einem Tagessieg klappt, um auch bei der Tour de France mal ganz oben zu stehen“, sagt Degenkolb. Bei der Spanien-Rundfahrt (9 Etappensiege) und dem Giro d’Italia (1) ist ihm das bereits eindrucksvoll gelungen.
Degenkolb überlässt nichts dem Zufall. Wie kaum ein Zweiter ist er in der Lage, sich auf seine Ziele zu fokussieren. „Nach der Pressekonferenz in Frankfurt beginnt für ihn bereits die Vorbereitung auf die Tour de France. In den nächsten Tagen wird er mit einigen Mannschaftskollegen die Tour-Etappen in Holland und Belgien inspizieren“, verrät sein Manager.
Der Hunger des Klassiker-Jägers scheint in dieser ausgesprochen erfolgreichen Saison längst noch nicht gestillt. Mit seinem Sieg bei Paris – Roubaix setzte er ein weithin sichtbares Ausrufezeichen. Keine Frage, Degenkolb ist mit seiner Siegfahrt bei der „Königin der Klassiker“ nach 253,5 Kilometern, davon 52,7 über die gefürchteten Pavés, endgültig in der Weltspitze des Radsports angekommen. Die harte Arbeit im Winter soll sich nun weiter auszahlen: Neben einem Tagessieg bei der Frankreich-Rundfahrt verfolgt er weitere Ziele: Nur allzu gerne würde er sich bei den deutschen Straßenmeisterschaften in Bensheim das Meistertrikot überstreifen und bei der Straßen-Weltmeisterschaft in Richmond aufs Podium fahren.
Noch aber wirken die jüngsten Ereignisse nach. „Ich bin so glücklich und stolz“, sagte Degenkolb nach seiner Zieldurchfahrt im Velodrom von Roubaix. „Sanremo war schon sehr emotional, aber das übertrifft alles. Das ist das Rennen, von dem ich immer geträumt habe, es einmal zu gewinnen. Es ist einfach unglaublich.“
Kristoff sprintete im Verfolgerfeld auf Platz zehn. Der Katusha-Kapitän war nach seinem Triumph bei der „Ronde“ zwar als Topfavorit an den Start gegangen. An diesem sonnigen Tag aber war Degenkolb einfach der physisch stärkste und taktisch cleverste Fahrer im Peloton. Kristoff ist am Tag der Arbeit aber nicht das eine Trumpf-Ass von Katusha. Das russische Team ist mit einer eingespielten Doppelspitze am Start. Kristoff ist der Mann für den Sprint, der Italiener Luca Paolini für die Ausreißergruppen. Der Giro-Etappensieger ist in Topform. In diesem Frühjahr beeindruckte der 38 Jahre alte Routinier mit seinem Sieg beim flämischen Klassiker Gent-Wevelgem.
Aber nicht nur Degenkolb und seine Mannschaftskollegen von Giant-Alpecin überzeugten in der „Hölle des Nordens“. Auch Bora-Argon 18, die zweite deutsche Topmannschaft, beeindruckte im Norden Frankreichs. Andreas Schillinger belegte am Ende einen sehr guten 16. Platz für das Pro Continental-Team. Die meiste Zeit im TV-Bild aber war Ralf Matzka zu sehen. Der 25 Jahre alte Frankfurter brachte wie bereits bei der Flandern-Rundfahrt das Kunststück fertig, den Tag in einer Ausreißer¬gruppe zu verbringen. Zwar verließen ihn nach rund 200 Kilometern wegen Trainingsrückstands in Folge einer längeren Verletzungspause erwartungsgemäß die Kräfte, in naher Zukunft möchte aber auch Matzka einmal unter die Top Ten bei Paris – Roubaix fahren. Das ist Matzka bei Rund um den Finanzplatz Eschborn-Frankfurt im Jahr 2013 als Zehntem bereits gelungen. Der Zweitdivisionär reist am 1. Mai mit einem ambitionierten Team an den Main. Neben Matzka sind der starke irische Sprinter Sam Bennett, Dominik Nerz und Paul Voss dabei. Ein ganz besonderes Rennen dürfte Rund um den Finanzplatz Eschborn-Frankfurt für Björn Thurau werden. Der Sohn der Frankfurter Radsport-Legende Didi Thurau ist gebürtiger Frankfurter. Papa Thurau konnte sein Heimrennen übrigens nie gewinnen.
Degenkolb und Kristoff sind aber längst nicht die einzigen großen Namen, die am 1. Mai am Start stehen werden. Der portugiesische Ex-Weltmeister von 2013 und dreimalige Tour-de-Suisse-Sieger Rui Costa führt das italienische WorldTour-Team Lampre-Merida ins Rennen, und der ehemalige Giro-Sieger Damiano Cunego (Nippo-Vini Fantini) dürfte vor allem im Taunus seine Kletterkünste unter Beweis stellen können. Für eine vordere Platzierung ist auch der zweimalige 1. Mai-Sieger Fabian Wegmann (Cult Energy Pro Cycling) immer gut. Die Mannschaft des Bundes Deutscher Radfahrer wird in diesem Jahr von den beiden WorldTour-Profis Christian Knees (Sky) und Roger Kluge (IAM Cycling) angeführt.