Der Giro d’Italia als furioser literarischer Roadtrip
Eines der originellsten Bücher über Sport nun endlich in deutscher Übersetzung:
Fabio Genovesis Giro-Tagebuch erweist sich als lebenskluge, humorvolle und
zeitlos schöne Hommage an Italien, den Radsport und das pralle Leben.
Schon als Kind versprach Fabio Genovesi seinem Onkel: »Eines Tages fahre ich den
Giro d’Italia.« Aus der Karriere als Radprofi wurde nichts, er wurde stattdessen
Bademeister, Kellner, schließlich gefeierter Schriftsteller. Und so wurde der Kindheitstraum
am Ende doch noch wahr, 2013 schickte ihn der Corriere della Sera los,
um die große Radrundfahrt als reisender Reporter zu begleiten. Parallel zu seinen
tagesaktuellen Zeitungsberichten entstand ein Tagebuch mit Abschweifungen und
Begegnungen.
Das Ergebnis ist ein großer literarischer Spaß, der nun endlich auch
in deutscher Übersetzung vorliegt. »In meinem Herzen alles Sieger«* (Covadonga
Verlag, März 2023, 208 Seiten) ist ein furioser Roadtrip durch ein Land, das genauso
ist wie sein Radsport: herrlich absurd und absurd herzlich, nie berechnend und
stets unberechenbar. Fabio Genovesi gelingt eine lebenskluge, humorvolle, zeitlos
schöne Hommage an Italien, den Radsport und das pralle Leben, die auch knapp
zehn Jahre nach Erscheinen der italienischen Originalausgabe nichts von ihrer
Faszination eingebüßt hat.
Über Tausende von Kilometern, mit dem Auto, zu Fuß, mit Fähren, Bussen und Seilbahnen,
versucht jedes Jahr im Mai eine bunte Karawane, mit dem rasanten Tempo der
Radrennfahrer mitzuhalten, die in drei Wochen ganz Italien durchqueren. Mit dabei im Jahr
2013, als die Rundfahrt von der Amalfiküste und den Stränden des Südens bis zu den
Schauplätzen katastrophaler Bergrutsche im Norden, mit Schlenkern nach Slowenien und
Frankreich kreuz und quer durch die Alpen und schließlich nach Brescia führt und
Dauerregen und veritable Schneestürme für eine Extraportion Leiden sorgen: der Schriftsteller
Fabio Genovesi als rasender Reporter mit dem etwas anderen Blick aufs Rennen.
Ein kluger, ökonomisch denkender Autor hätte getreu dem Motto »minimaler Aufwand,
maximales Ergebnis« einfach seine 24 Zeitungsartikel genommen, die seinerzeit während
des Giro d’Italia erschienen sind, und das Vorwort eines befreundeten Schriftstellers
hinzugefügt – fertig wäre das Buch. Doch »als ehrlicher Masochist« (RivistaStudio) hat
Fabio Genovesi seine Erzählung über jene dreiwöchige Rundfahrt anschließend noch mal
von Grund auf neu geschrieben und sie in ein »On the Road«-Epos über die Kunst der
unerwarteten Begegnung und des Sich-Verirrens verwandelt.
Nur das wahre Leben kann es sich erlauben, derart unglaublich zu sein
Voller Enthusiasmus stürzt sich Genovesi in Begleitung seines Fahrers Enzo in das
Abenteuer Giro, bereit, sich von der epischen Strahlkraft des Radsports und seiner
Protagonisten mitreißen zu lassen. Doch schon bald stellt er fest, dass die Leidensfähigkeit
und der Eifer der Rennfahrer nur ein Teil der Geschichte sind. Denn es ist vor allem das,
was rund um das Rennen passiert, was diese Reise zu einem Erlebnis macht. Es sind die
Geschichten der Nebendarsteller und -schauplätze, es ist das, was uns das Fernsehen
nicht zeigt.
»Der Giro war schon immer meine Leidenschaft, seit ich ein Kind war. Und das
barg ein echtes Risiko, von der Realität enttäuscht zu werden – so wie wenn man
jemanden aus der Ferne mag und dann trifft man ihn und er enttäuscht einen. Im Falle des
Giro stellte ich jedoch fest, dass ich mit meinem Wunsch richtig lag: Ich verliebte mich in
die Orte, die Menschen und die Anekdoten«, erzählt Fabio Genovesi.