Eine kleine Unachtsamkeit kostet den Münnerstädter Sprint-Spezialisten den Einzug ins „Große Finale“. Trotzdem ist der 24-jährige „super-glücklich“ mit dem Sieg im „Kleinen Finale“
Erst zum zweiten Mal wurden im Rahmen der Mountainbike-Weltmeisterschaften der Titel in der noch jungen Disziplin „Eliminator-Sprint“ vergeben. Vor einem Jahr war der Münnerstädter Mountainbiker Andy Eyring 16. Geworden. Nach den Erfolgen bei den Weltcups im Frühjahr und Sommer lag die Messlatte aber für Pietermaritzburg deutlich höher, vor allem, weil die Nominierung durch den Bund Deutscher Radfahrer sehr knapp ausgefallen war: „Ich bin mit ziemlichen Ehrgeiz hier nach Südafrika gekommen, schließlich wollte ich die Chance, die mir gegeben wurde, nutzen und beweisen, dass meine Nominierung gerechtfertigt war.“ Mit dem Sieg im „Kleinen Finale“ und damit dem fünften Platz erfüllte Eyring die in ihn gesetzten Erwartungen – vor allem, weil sogar eine Medaille zum Greifen nah gewesen war.
Obwohl er aus der Generalprobe im belgischen Waregem vor zwei Wochen als Sieger hervorgegangen war, war Eyring vor dem Start in Pietermaritzburg, der Hauptstadt der südafrikanischen Provinz KwaZulu-Natal 100 km nördlich von Durban, nervös. Als er dann im Laufe der Woche auch noch im Training auf der technisch anspruchsvollen Strecke einen kapitalen Sturz verkraften musste, stieg die Spannung bei dem 24-jährigen. Erst als er im Qualifikationslauf am Sonntagmorgen den souveränen siebten Platz belegte – sein bisher bestes Zeitfahr-Ergebnis bei einem internationalen Wettkampf – fiel ein Teil der Nervosität von dem Sportler des RWV Haselbach ab. „Ich hatte und habe immer noch ziemlich Respekt vor dieser gut 800 Meter langen Strecke, aber ich wusste auch, dass sie mir liegen würde.“ Dennoch quälten ihn Versagensängste: „Das Schlimmste, was passieren konnte, wäre ein Ausscheiden im Zeitlauf gewesen: nicht nur die Vorbereitung wäre dann umsonst gewesen, sondern ich hätte auch das in mich gesetzte Vertrauen enttäuscht, mich hierher zu schicken.“
Mit der Sicherheit, diese Hürde geschafft zu haben, lief es dann für Eyring in den Vierer-Heats deutlich besser. Souverän zog er vom Achtel- ins Viertelfinale ein, nachdem er das kurze Rennen von Anfang von vorne kontrolliert hatte: „Ich konnte auch die technischen Passagen sauber fahren, da ich mich noch nicht voll ausbelasten musste.“ Doch ein schlechter Start im Viertelfinale zwang ihn, sich sukzessive nach vorne zu arbeiten: nachdem er das erste Steinfeld noch als Vierter durchquert hatte, konnte er sich in den nächsten technischen Passage schon auf den dritten Platz vorkämpfen. Seite an Seite mit dem jungen Österreicher Gregor Raggl kämpfte er sich den kurzen, aber steilen Anstieg empor. „Oben hatte ich einen kleinen Vorteil“, berichtet Eyring über die vielleicht vorentscheidende Situation, die ihm zunächst den zweiten Platz hinter dem Italiener Elia Silvestri und damit auch den Einzug ins Halbfinale einbrachte. „Aber der Sprint gegen Raggl hat richtig Körner gekostet – ich wusste, dass ich das über kurz oder lang büßen würde. Ich konnte mir kaum vorstellen, noch zwei Runden zu fahren.“
Doch der Start ins Halbfinale lief nicht wie gewünscht, wieder musste er seinen Konkurrenten den Vortritt lassen. Doch wie schon im Halbfinale gab Eyring nicht auf und nutzte seine technischen Fähigkeiten und seinen Blick für die schnellen Linien, sich wieder nach vorne zu arbeiten. Auf den letzten, etwas ansteigenden Metern hinauf dem Ziel war er wieder an zweiter Stelle, diesmal hinter dem späteren australischen Weltmeister Paul van der Ploeg, nachdem er kurz zuvor den Franzosen Titouan Perrin-Ganier überholt hatte. „Doch plötzlich schoss rechts an mir Silvestri vorbei, den ich gar nicht mehr auf der Rechnung gehabt hatte“, ärgerte sich Eyring im Ziel: der Traum von einer Medaille, der so greifbar nah gewesen war, platzte in einem Photo-Finish: Eyring musste sich mit dem Einzug ins „Kleine Finale“ begnügen. „Ich war schwer enttäuscht, ich habe mich vor allem über mich selbst geärgert – und frage mich immer noch: hätte ich noch schneller fahren können, hätte ich diesen halben Tritt, der letztlich gefehlt hat, noch kräftiger treten können? Aber ich glaube nicht.“
Doch für Lamentieren war keine Zeit: kurz darauf startete das „Kleine Finale“, der Kampf um Platz 5: „Ich war so unglaublich schwarz – aber das waren die anderen wohl auch. Das war vielleicht mein kleiner Vorteil.“ Diesmal klappte es auch wieder mit einem schnellen Start („ich habe nichts anders gemacht als vorher“), Eyring ging souverän in Führung: „Aber ich habe nichts mehr mitbekommen, was hinter mir passiert.“ Nur die lautstarke Stimme des Moderators drang zu ihm durch: „Da wusste ich, dass ich, der ‚Big German‘, wie er mich auf Englisch nannte, einen kleinen Vorsprung hatte.“ Der schmolz zwar am Berg wieder etwas dahin, als der Schweizermeister Marcel Wildhaber wieder zu Eyring aufschloss, doch Eyring konnte seine Führung letztlich bis ins Ziel verteidigen: „Ich habe auf der Zielgeraden die Augen zu gemacht, mir tat alles unglaublich weh, die Arme, die Beine … das Laktat schießt dir überall rein.“ Andy Eyring gewann das „Kleine Finale“ und sicherte sich so den fünften Platz.
Während er damit beim Weltcup, wo traditionell die besten Fünf geehrten werden, aufs Podium geklettert wäre, war sein Auftritt bei der Weltmeisterschaft damit beendet: Völlig abgekämpft trat Eyring die Rückfahrt in nur wenige hundert Meter entfernte Hotel der Nationalmannschaft an. Doch die Kraft reichte dafür kaum noch: „Bei einem kleinen Hügel, nicht mehr als eine Bodenwelle, musste ich absteigen und schieben“, berichtete Eyring später. Er hatte sich völlig verausgabt. Er hatte alles riskiert und viel gewonnen.
Am kommenden Wochenende wird Eyring am Start des Finalrennens der belgischen Sprint-Serie stehen, bei der er noch gute Chancen auf den Gesamtsieg hat. Und in zwei Wochen wird er im norwegischen Hafjell versuchen, beim Weltcup-Finale die WM-Leistung noch einmal zu wiederholen und vielleicht erstmals auf das Weltcup-Podium zu klettern. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Und es wäre auch kein schlechtes Omen für 2014: denn dann wird in Hafjell die nächste Weltmeisterschaft der Mountainbiker ausgetragen.Text/Foto: Armin M. Küstenbrück