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Absolute Top-Favoriten gibt es vor den 14. Marathon-Europameisterschaften nicht. Die Kampf um die EM-Titel beim Rothaus Hegau Bike-Marathon ist so offen wie selten zuvor, auch wenn die Titelverteidiger Christoph Sauser und die Olympiasieger Jaroslav Kulhavy, Gunn-Rita Dahle-Flesjaa und Sabine Spitz am häufigsten genannt werden.
Das Publikum im Hegau darf sich freuen über höchst spannende Voraussetzungen für ein hochklassiges Mountainbike-Event. Nachdem sich bei den Damen auch noch die Cross-Country-Weltranglisten-Erste Jolanda Neff (Stöckli Pro Team) und kurzfristig auch Ex-Europameisterin Esther Süss (Wheeler-iXS) in die Riege der Favoritinnen eingereiht hat, wird es auf jeden Fall hochkarätige Fahrerinnen geben, die am Sonntag ohne Medaille bleiben werden.
Gunn-Rita-Dahle-Flesjaa (Multivan-Merida) rechnet auf den 80 Kilometern mit einem „taktischen Rennen“ und hofft – das klingt für eine neunfache Weltmeisterin bescheiden – „um ein Top-Drei-Ergebnis kämpfen“ zu können. „Ich kann nicht mehr erwarten. Natürlich, wenn man an der Startlinie steht, hat man immer die Chance zu gewinnen. An einem guten Tag kann ich auch um den Sieg kämpfen“, umschreibt die Norwegerin ihre Vorstellungen.
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„Ich würde sicherlich einen Kurs bevorzugen, der ein wenig mehr fahrtechnischen Anspruch besitzt. Aber ich muss auch sagen, ich finde es gut, dass es im Mountainbike-Sport so viele verschiedene Arten von Strecken gibt“, sagt sie über den Kurs, den sie während der Woche erstmals unter die Räder nahm.
Sabine Spitz war 2013 bei der EM in Singen schon Dritte und hat sich auch dieses Mal eine Medaille zum Ziel gesetzt. Es wäre ihr insgesamt zwölftes EM-Edelmetall.
„Meine Vorbereitung auf die Marathon EM lief weitgehend gut. Dazu gehörten auch die Cross-Country Rennen im April, um mich wieder an das Wettkampf-Tempo zu gewöhnen. Speziell beim ersten Rennen gelang das besser als erwartet. Deshalb denke ich, dass die Form passen müsste für die EM“, zeigt sie sich zuversichtlich.
Die dreifache Olympia-Medaillengewinnerin rechnet mit einem spannenden Rennen, speziell auf einem Kurs wie im Hegau, der neben den vielen kurzen Anstiegen auch durch lange, flache Passagen geprägt ist, die oft sehr dem Wind ausgesetzt sind. Bisher war ich in Singen nicht so vom Glück verfolgt. Ich hoffe, dass ich das am kommenden Sonntag ändern kann.“
Sally Bigham gelang das Kunststück viermal hintereinander Zweite bei der Marathon-EM zu werden. Logisch, dass sie nach ihrem ersten internationalen Titel strebt. Daher wundert es auch nicht, dass sie am vergangenen Wochenende auf den Start bei den Britischen Meisterschaften verzichtete. Hintergrund ist ein Infekt.
„Ich bin nicht an den Start gegangen weil ich bei der EM hundert prozentig fit sein will“, lässt die Topeak-Ergon-Fahrerin erahnen, wie fokussiert sie ist.
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Esther Süss hat sich lange Zeit gelassen, ehe sie sich entschloss für die EM zu melden. Die Schweizerin hat 2013 in Singen den Titel geholt, wird aber auch am Samstag noch in Solothurn tätig sein.
Die Deutsche Marathon-Meisterin Silke Schmidt (Herzlichst Zypern) schraubt ihre Ambitionen als voll berufstätige Juristin nach unten. „Top-Ten wäre angesichts der Umstände ein super Ergebnis“, sagt die Münchnerin.
Herren: Zwei absolute Asse und viele Ambitionen
Wenn man vor dem 98 Kilometer langen Rennen der Herren das Starterfeld durchdekliniert, dann lässt sich erkennen, dass die Taktik im Kampf um das blaue EM-Jersey eine noch größere Rolle spielen wird als bei den Damen. Teamtaktik vor allem. Specialized Racing hat mit Olympiasieger Jaroslav Kulhavy und Titelverteidiger Christoph Sauser zwei absolute Asse im Ärmel, die sich bis zu einem bestimmten Punkt auch gegenseitig unterstützen werden.
Kulhavy könnte man auf diesem Kurs vielleicht als Topfavorit bezeichnen, doch da der Tscheche das Rennen eher als „Vorbereitung auf den Weltcup“ nutzt und nur von „90 Prozent“ Leistungsfähigkeit spricht, reduzieren sich seine Möglichkeiten.
Topeak-Ergon schickt drei Top-Fahrer ins Rennen. Angefangen von Alban Lakata, der 2013 beim Rothaus Hegau Bike-Marathon Europameister geworden ist. Der Ost-Tiroler wirkt zuversichtlich. „Mit meiner Form geht es stetig bergauf. Nach dem Cape Epic war ich wie immer ziemlich kaputt, aber langsam kommt der erwartete Formschub von diesem zähen Rennen. In Singen hab ich schon einige Male gewinnen dürfen. Wäre cool, wenn ich dort einen dritten EM-Titel zu meinen Palmares hinzufügen könnte“, gibt er ein offensives Statement ab, warnt aber gleichzeitig: „Es wird nicht einfach werden, sich auf diesem nicht gerade selektiven Kurs und diesem starken Teilnehmerfeld sich durchzusetzen“
Sein Teamgenosse Kristian Hynek hat vergangenen Samstag den Gardasee-Marathon gewonnen, steht aber nicht deshalb mit auf dem Favoritenschild. Mit Robert Mennen hat das Team aus Koblenz aber noch einen dritten Trumpf im Ärmel. Ob der Deutschen Meister von 2013 gegen einen Kulhavy oder einen Sauser bestehen kann, bleibt erst mal fraglich, aber der Nörvenicher hat schon häufiger alle überrascht.
„Ich sehe mich für die Marathon-EM gut gerüstet. Sie ist ein Höhepunkt in meinem diesjährigen Kalender. Der letzte Marathon in Lassaic und auch der vierte Platz am Samstag in Houffalize hat mir Motivation gegeben auf dem richtigen Weg zu sein und mich von den bisherigen Etappenrennen gut erholt zu haben (Andalusien und Cape Epic)“, erklärt Mennen, der in Houffalize in Führung liegend Defekt hatte.
Er hat sich in einem Höhentrainingslager in Livigno gezielt vorbereitet und mag das wellige Gelände im Hegau. „Wir hoffen natürlich im Team unsere Mannschaftsstärke ausspielen zu können, aber ich werde auf eigene Kappe fahren.“
Das Team Bulls bringt ebenfalls drei Kandidaten an den Start, die zum erweiterten Kreis der Medaillenkandidaten zählt. Karl Platt, der 2008 in Singen Deutscher Marathon-Meister verweist auch auf die taktische Komponente: „Wir werden schon schauen, dass wir als Team agieren. Urs (Huber), Tim (Böhme) und ich werden sicher nicht gegeneinander fahren. Wir werden uns eine Taktik überlegen und schauen wie jeder drauf ist. Alleine weg fahren, das bringt hier nichts. Auch wenn Simon (Stiebjahn) attackiert, dem trauen sie auch nicht mehr“, räsoniert der Osthofener.
Er verweist noch auf den Olympiasieger: „Jaroslav Kulhavy, das ist ein spezieller Fall. Wenn der wegkommt, dann zieht er es durch, sofern er so stark ist wie beim Cape Epic“, zollt Platt großen Respekt vor Kulhavy.
Böhme: Im Tal der Ahnungslosen
Lokalmatador Tim Böhme äußert sich etwas skeptisch. „Mir fehlt die Wettkampfhärte, ich muss mich überraschen lassen.“ Die Schulter-Verletzung vom Cape Epic, die ihn zur Aufgabe und zur Trainingspause zwang hat ihm vor allem die Möglichkeit zu vorbereitenden Wettkämpfen geraubt. „Ich merke auch, dass mir das Cape Epic als Rundfahrt in meinem Aufbau fehlt.
Eigentlich fühle ich mich nicht schlecht in Form, aber ohne Wettkampf weiß man nie, was es wert ist. Ich habe im Grunde in einem Tal der Ahnungslosen trainiert“, meint der Singener, der inzwischen in Frankfurt lebt.
Das Team Centurion-Vaude gebührt die Außenseiter-Rolle. Zumindest was die Medaillen angeht. Jochen Käß lag auch schon bei Weltmeisterschaften in Reichweite von Edelmetall, aber gereicht hat es für den dreifachen Deutschen Marathon-Meister noch nie. Er betont, dass er als Semi-Profi gegen Vollprofis fährt.
„Wir werden uns nicht vorher auf einen Kapitän festlegen, sondern schauen wem es nach einer Runde noch gut geht“, erklärt Käß, der in der Vorbereitung auch mit einem Infekt zu kämpfen hatte, der ihm einige Trainingszeit raubte.
Teamkollege Markus Kaufmann hat sich nach seinem Schlüsselbein-Bruch Ende Februar schon wieder gut in Form gebracht. Was die beiden Deutschen im Verbund mit ihren österreichischen Teamkollegen Daniel Geismayr und Hermann Pernsteiner ausrichten können, bleibt abzuwarten.