Gewaltige Stimmung, spektakuläre Rennen
Ein spektakuläres Wochenende ist am Sonntag beim Mercedes-Benz UCI Mountainbike Weltcup mit dem Sieg von Weltmeister Nino Schurter zu Ende gegangen. Die Schweizer triumphierten vor einer grandiosen Kulisse von mehr als 10000 Zuschauern auch bei den Damen durch Jolanda Neff und in der U23 durch Sina Frei. Für Jubel im deutschen Lager sorgten Elisabeth Brandau und Manuel Fumic.
Das Tailfinger Bullentäle bot den Weltcup-Akteuren am Sonntag einen lautstarken Resonanz-Boden. „Wie im Fußball-Stadion“, fasste das ein langjähriger Team-Manager zusammen. Die Herren boten vor einer, gegenüber 2017, noch mal gestiegenen Zuschauerzahl großen Sport.
Weltmeister Nino Schurter, der zum ersten Mal seit fast zehn Jahren nicht aus der ersten Reihe starten konnte, gelang aus Reihe drei ein guter Beginn und er erreichte bereits am ersten Anstieg die Spitzenpositionen.
Danach wurde er einige Male unter Druck gesetzt, auch von seinem Schweizer Landsmann Matthias Flückiger, der einen starken Eindruck machte.
Doch der holte sich in Runde drei von sieben einen Reifendefekt. Wer er den Druckverlust registrierte, griff er an. „Ich dachte, ich kann mich in der Technischen Zone ja dann erholen“, erklärte Flückiger.
Allerdings dauerte der Wechsel 38 Sekunden, zu viel um die fünf Fahrer, die ihn passierten, nochmal einzuholen.
Die Gruppe zersplittert bald danach. Der Niederländer Mathieu van der Poel konnte nach seinem Kahnbeinbruch von vor neun Tagen nicht ganz wie sonst und zudem war seine Schuh-Schnalle kaputt gegangen. Und so ist es nur noch der Franzose Stephane Tempier, der einer Tempoverschärfung von Nino Schurter folgen kann.
Schurter und die Wahl des Materials
„Ich wollte nicht zu früh die Karten auf den Tisch legen, aber ich habe dann gemerkt, dass Mathieu nicht mehr folgen konnte und auch Maxime (Marotte) Mühe hatte. Deshalb habe ich attackiert. Allerdings war ich überrascht, dass dann Tempier zurückkam“, erklärt der Schweizer, wie er die Gruppe auseinander fahren konnte.
Tempier hatte allerdings etwas viel Energie verbraucht um seinen Rückstand vom Anfang zu kompensieren. So spielte Schurter am zweiten Anstieg der vorletzten Runde seine Qualitäten aus und riss eine Lücke von etwa 30 Meter. „Die gegen Nino wieder zu schließen, ist fast unmöglich“, gesteht Tempier.
Obschon er sich nicht völlig abhängen lässt, er kann den 27. Weltcupsieg von Nino Schurter nicht verhindern.
„Ich denke, heute hat die Wahl des Materials eine wichtige Rolle gespielt. Und vermutlich habe ich durch meine Aufgabe am Freitag auch ein wenig Körner gespart. Es ist schön hier zum dritten Mal zu gewinnen. 2020 ist hier die WM, das gibt mir ein gutes Gefühl. Die Kulisse hier war wie immer toll“, erklärt Schurter.
Stephane Tempier bekannte, dass er vor allem im zweiten Anstieg des Kurses keine Chance gegen Schurter hatte. „Nach dem Short Track war ich schon ein bisschen müde, aber ich bin mit dem zweiten Platz heute zufrieden. Zum Sieg hat etwas gefehlt, aber ich bin zuversichtlich für Nove Mesto.“
Marotte: WM 2020 wird cool
Dort will auch Mathieu van der Poel „näher dran sein“, wie er sagte. Nach dem Handicap des Kahnbeinbruchs beim La Rioja Bike Race in Spanien (vor neun Tagen müsse er aber mit Rang drei „zufrieden“ sein.
„Ich bin ein bisschen enttäuscht, dass ich das Leaderjersey um ein paar Punkte verpasst habe, aber ich war heute sicher nicht der Stärkste im Rennen. Ich konnte nur ein Tempo gehen und nicht reagieren, als Nino angegriffen hat“, so van der Poel. „Ich hoffe, dass es nächste Woche schon etwas besser geht“, so der Short Track-Sieger vom Freitag.
Er gewann gegen Maxime Marotte das Duell um Rang drei, weil er im letzten Anstieg quasi den Sprint um die erste Position im folgenden Downhill gewann.
Marotte kommentierte seinen vierten Platz so:
„Am Ende haben ein paar Sekunden gefehlt, um am Hinterrad bleiben zu können. Bei der Attacke hatte ich nicht genug Körner um folgen zu können. Ich mag die Strecke und auch das nasse Wetter. Die Atmosphäre war heute wirklich toll. Wie im Stadion, sehr laut. Die WM 2020 wird bestimmt cool.
Manuel Fumic erreicht sein Ziel
Manuel Fumic war nur zu Beginn Teil der achtköpfigen Spitzengruppe. Aber das war auch nicht anders zu erwarten. Mit einer Schiene am Ringfinger und einem Trainingsrückstand aus dem Winter hatte er die Top-Ten als Maximal-Ziel ausgegeben.
Das konnte der Deutsche Meister aus Kirchheim/Teck aber mit einem klugen Rennen umsetzen. „Wir haben uns das Damen-Rennen angeschaut und wussten, dass man gleich vorne dabei sein muss. Als dann vorne attackiert wurde, hatte ich gleich 30 Sekunden Rückstand, aber das war okay“, so Fumic.
Er fand sich in einer vierköpfigen Gruppe von Rang sieben bis zehn wieder und begann auch über die Team-Wertung nachzudenken. Deshalb wollte er die zwei BMC-Fahrer Lars Forster und Reto Indergand los werden.
Er attackierte auf der Asphalt-Passage. „Damit haben sie nicht gerechnet“, meinte Fumic. Nur der Schweizer Lukas Flückiger konnte mitgehen.
Allerdings kam in der Schlussrunde der Spanier David Valero von hinten und griff prompt an. „Da konnte ich nicht mehr mitgehen und habe versucht meinen neunten Platz abzusichern. Das ist mir gelungen. Ich habe mein Ziel erreicht, eine gute Leistung abgeliefert und wir haben mit Cannondale die Team-Wertung gewonnen. Vielleicht wird es nächste Woche noch besser“, so Fumic.
Und dann schickte er noch ein Adresse ans Publikum. „Trotz der kühlen Temperaturen war es im Bullentäle richtig heiß. Das wird sich bei der WM 2020 sicher noch steigern.“
Damen machen ihr Rennen zum Spektakel
Beim Damen-Rennen durften die deutschen Zuschauer endlich mal jubeln. Nicht über einen Sieg, aber über einen fünften Platz für Elisabeth Brandau. Für sie bedeutete das den ersten Podiums-Platz ihrer Karriere im Weltcup. Aber auch insgesamt bot die Konkurrenz spektakulären Sport, allen voran Jolanda Neff.
Die Weltmeisterin setzt sich bereits in Runde eins von sechs an die erste Position und spielt auf dem vom Regen extrem rutschigen Gelände ihre fahrtechnischen Fähigkeiten aus. Die 25-jährige Schweizerin ist eine Klasse für sich und gewinnt ungefährdet.
„Ich freue mich riesig über diesen Sieg. Das sind meine Lieblingsbedingungen. Ich war immer informiert über meinen Vorsprung und so konnte ich ohne Stress vorne fahren. Die Stimmung an der Strecke war gewaltig, die Leute waren voll dabei“, erklärt Neff, die vor kurzem noch Verletzungsprobleme am Oberschenkel hatte.
Hinter ihr gewann Europameisterin Yana Belomoina die Auseinandersetzung um Rang zwei.
Mit einem fulminanten Finish holt sie auch noch die Schweizerin Alessandra Keller ein und wird Zweite.
Belomoina war mit Elisabeth Brandau in Richtung Verfolgergruppe gefahren und mit ihr dort angekommen. Die Schwäbin war mit Startnummer 46 ins Rennen gegangen und deshalb mit einem beträchtlichen Handicap unterwegs.
Ihr gelang jedoch ein guter Start, reihte sich an 35. Stelle ein und holte dann kontinuierlich auf. In Runde drei kam sie mit ihrer fulminanten Vorstellung am Berg bereits in den Top-Ten an und arbeitete sich dann an die Verfolgergruppe heran.
Zwischenzeitlich fuhr Brandau sogar an dritter Stelle, doch in den rutschigen Abfahrten ging die zweifache Mutter auf Nummer Vorsicht und büßte deshalb immer wieder Zeit ein.
Es gab viele Stürze, auch von den Spitzenfahrerinnen. Vor allem am Mitas Abbyss, einem Drop, war die A-Linie schwer zu fahren. Allerdings versprach sei auch einen Zeitgewinn von sechs, sieben Sekunden.
Elisabeth Brandau hatte ab der vorletzten Runde mit Krämpfen zu tun. „Ich habe versucht sie weg zu atmen, die vielen Zuschauer waren da eine gute Unterstützung“, erklärte Brandau.
So konnte sie nicht mehr reagieren, als Belomoina das Tempo verschärfte. Ihre letzte Gegnerin im Kampf um Platz fünf war die Schweizerin Linda Indergand, die allerdings am Berg der Power von Brandau nicht gewachsen war. Mit drei Sekunden Vorsprung ging Brandau in den letzten Anstieg und holte genug Vorsprung heraus, um zum ersten Mal auf dem Weltcup-Podium zu stehen.
„Es macht schon Spaß hier vorne mitzufahren“, meinte Brandau beim Pressegespräch mit ihrem ersten Kind Max auf dem Arm.
Die Freiburgerin Adelheid Morath stürzte bereits in Runde eins und schied aus.
Sabine Spitz schien auf die falschen Reifen gesetzt zu haben und wechselte die Gummis. Doch auch damit erreichte sie nicht das Ziel. „Ich bin einfach nicht gut ins Rennen und mit den rutschigen Bedingungen nicht zurecht gekommen. Es war einfach nicht mein Tag“, so Spitz.
U23 Damen: Großes Pech für Ronja Eibl
Sina Frei gewann am Sonntagvormittag das U23-Rennen der Damen 21 Sekunden vor der Britin Evie Richards und verbuchte damit ihren siebten Weltcup-Erfolg in der U23-Kategorie. Die Dänin Malene Degn wurde mit deutlichen 3:52 Minuten Rückstand Dritte.
Sina Frei kam beim Start nicht optimal weg, doch das kompensierte sie bereits im ersten Anstieg. Sie übernahm die Führung und riss schon in der Startrunde im ersten Downhill eine kleine Lücke, die sie bis auf 30 Sekunden ausbauen konnte.
Eingangs dritter Runde unterlief ihr jedoch ein Missgeschick, als sie auf dem Asphalt stürzte. Das kostete sie einen Großteil ihres Vorsprungs, doch aufschließen konnte Richards nicht.
„Bei diesen Bedingungen ist es besser vorne zu fahren. Fehler macht auf diesem Boden jede, es ging darum möglichst wenige zu machen und das ist mir gelungen“, kommentierte Frei ihre Strategie.
„Es ist super schön, dass ich wieder einen Weltcup gewonnen habe und zum ersten Mal im Regenbogen-Trikot. Das macht den Sieg auch besonders.“
Evie Richards gab nie auf, doch gefährden konnte sie Frei am Ende nicht.
„Ich denke, der Regen, kann andere Leute beeinträchtigen. Deshalb habe ich es als Vorteil gesehen, dass es in Großbritannien immer regnet. Ich liebe diesen Kurs. Er ist einfach mit zwei steilen Anstiegen, aber heute war es extrem rutschig. Es war so schwierig mit 100 Prozent in die Downhills zu gehen. Im Anstieg war ich stärker und auf der Fläche. Ich freue mich sehr über meinen zweiten Platz heute und ich bin bereit für den nächsten Weltcup.
Malene Degn konnte das Tempo der Beiden nicht mitgehen und geriet in Runde drei von fünf in Gefahr ihren dritten Platz zu verlieren. Ronja Eibl aus Grosselfingen hatte zur Freude des heimischen Publikums ihren Rückstand von 18 auf fünf Sekunden reduziert. Doch just in dieser Phase erlitt Eibl einen nicht reparablen Defekt an ihrer Schaltung.
Völlig enttäuscht musste die Bikerin von der RSG Zollernalb aufgeben.
„Ich hatte noch nie in meinem Leben so gute Beine“, schüttelte die erst 18-Jährige den Kopf und zog niedergeschlagen von dannen.
Damit blieb Malene Degn ungefährdet auf Rang drei.
„Es war irrsinnig heute. Ich wusste nicht ob ich Bike oder Skate. Aber es war cool, es hat super Spaß gemacht. Ich bin glücklich über den dritten Platz. Damit bin ich immer noch im Spiel um die Gesamtwertung“, so die Dänin.
Die Gesamtführung übernahm Sina Frei von ihrer Teamkollegin Malene Degn, Richards ist Dritte.
Beste Deutsche wurde so Nina Benz aus Laichingen, die als 16. 10:52 Minuten Rückstand hatte. „Es war echt gut heute, es hat so viel Spaß gemacht. In der ersten Runde hatte ich einen Sturz, aber das größere Problem war, dass mir in Runde drei vorne die Kette runter ist. Es war voll schwierig sie wieder drauf zu bringen. Schade, dass ich am Ende noch zwei Plätze verloren habe, aber ich bin trotzdem voll zufrieden.“
Zufrieden war man auch bei der Stadt Albstadt. Die Zuschauerzahlen waren nochmal angewachsen, der Organisation routiniert abgelaufen und die Stimmung faszinierend. Am Samstag waren nach ersten Schätzungen rund 5000 Zuschauer vor Ort, am Sonntag wurde die 10000er-Marke wohl übertroffen. Der „Hexenkessel“ Bullentäle hat seinem Titel mal wieder alle Ehre gemacht.
Auch die Premiere des Short Track am Freitagabend war gut besucht und vom Publikum gut aufgenommen worden.
Ergebnisse: http://www.uci.ch/mountain-bike/ucievents/2018-mountain-bike-uci-mountain-bike-world-cup/162153118/widgets/live-timing-results-185534/
Foto-Link (frei zur redaktionellen Verwertung bei Nennung von Autor/EGO-Promotion) : https://offroadsports.smugmug.com/Mountainbike/MTB-World-Cup-Albstadt-2018/Mercedes-Benz-UCI-MTB-World-Cup-2018/n-MxvD7j/
www.world-cup-albstadt.de